Christopher Gottwald gibt in Berlin Vorträge, Workshops, Gesprächsrunden und Beratungen zum Thema Polyamorie. Er begleitet Menschen mit Beratung und Körperarbeit zu einer bewussten und genussvollen Sexualität.
Katja: Christopher, kannst Du in ein paar Sätzen erzählen, welche Arbeit Du machst?
Christopher:
Das ist nicht ganz leicht. Angefangen hat es damit, dass ich mit meinen Vorträgen die Idee der Polyamorie in die Welt tragen wollte, damit die Menschen wissen, dass es möglich ist, mit mehreren Menschen Liebesbeziehungen zu führen und dabei offen und ehrlich zu sein. Für mich war es eine große Erleichterung, als ich mitbekommen habe, dass auch andere so leben.
Inzwischen geht es mir vor allem um den Aspekt der Transparenz, also meinem Gegenüber mitzuteilen, was gerade in mir vorgeht, seien es nun Gefühle, Gedanken oder auch Gelüste. Das führt uns in Verbundenheit, wenn die andere Person mich nicht dafür verurteilt, sondern mich ganz so annimmt wie ich bin. Oft schweigen wir lieber, aus Angst bewertet zu werden, oder wir bewerten, um einen Schmerz nicht zuzulassen.
Gerade, wenn es um Sexualität geht, fällt es uns in dieser Gesellschaft schwer, ehrlich zu sein und Impulse und Grenzen klar zu zeigen. Viel lieber gehen wir solchen Begegnungen aus dem Weg, weil wir davon ausgehen, dass es dann kompliziert wird. Oder weil wir Angst haben, als geiler Bock oder Schlampe zu gelten. Wenn wir aber doch auf die andere Person zugehen, zeigen wir das selten direkt, sondern „verführen“ lieber oder „schleppen ab“ – Wörter, die ausdrücken, dass wir nicht offen mit unseren Wünschen umgehen. Auf der anderen Seite steht die Angst vor Übergriff, Missbrauch und Vergewaltigung.
In meinen Workshops üben wir, über unsere Gefühle zu diesem Thema zu sprechen und unsere Bewertungen fallen zu lassen. Wir begeben uns in einen Körperkontakt, indem wir genau hinspüren, was uns gerade gut tut und was wir nicht mögen. Wir versuchen herauszufinden, was passiert, wenn ich nicht pauschal sage, dass ich niemanden außer meine*n Partner*in berühre, sondern im Moment zu entscheiden, wie sich was anfühlt und wie ich dies im sicheren Rahmen meinem Gegenüber mitteile.
Katja: Was ist das Ziel deiner Arbeit?
Christopher:
Alles, was ich mache, hat als Grundlage die Frage, wie Verbundenheit zwischen uns Menschen entstehen kann. Verbundenheit ist für mich dasselbe wie Liebe: Ich darf so sein wie ich bin, und du darfst so sein wie du bist und beide zeigen wir, was in uns vorgeht.
So entstehen Begegnungen zwischen Menschen, bei denen alles sein darf, mit Respekt und ohne Bewertungen. Ich möchte die Menschen ermutigen, Liebesbeziehungen und Sexualität so zu leben, wie sie es sich wünschen. Und dabei gleichzeitig sehen und spüren, was es in den anderen auslöst.
Katja: Ich war, nachdem ich Deine Homepage angeschaut hatte, sehr neugierig, und bin dir dankbar für unser nettes Telefonat und dein Interview, welches ich gerne auf meiner Homepage veröffentliche, da ich ja auch Menschen berate, die in ihrer momentanen Situation bezüglich Liebe, Sexualität und Partnerschaft unzufrieden sind und nach Alternativen suchen.
Welche Menschen kommen zu Dir und Deinen Events? Warum kommen sie zu Dir? Was erwarten sie?
Christopher: Die Menschen, die zu mir kommen, haben eine große Altersspanne (bisher war die jüngste 18 und die Älteste 73), sie kommen aus allen Bildungs- und Berufsschichten, manche leben seit 30 Jahren polyamor, andere möchten sich die Idee nur mal „ansehen“. Gemeinsam haben sie, dass sie neugierig sind, dass sie das Gewohnte nicht einfach hinnehmen wollen und dass sie sich selbst besser kennenlernen wollen. Sie wollen zwischenmenschliche Erlebnisse haben und über Dinge sprechen, über die sonst eher nicht geredet wird.
Katja: Du sagst, Du lebst polyamor. Hattest Du auch monogame Phasen?
Christopher:
Ich habe nicht gewusst, dass es auch anders möglich ist, bis ich 19 war. Ich war ziemlich unzufrieden mit diesem Spielchen, ob ich nun eine Freundin abbekomme, und wenn ich dann eine habe, wie ich sie am besten festhalte. Und wenn sie dann einen anderen „interessanteren“ Typen gefunden hat, war plötzlich Schluss. Dann habe ich beschlossen, es anders zu machen. Ich fand, dass es nicht nötig ist, meiner Freundin zu verbieten, andere Geliebte zu haben, und ich wollte auch meine Freiheit haben. Allerdings habe ich über 10 Jahre niemanden dafür gefunden. Die Leute fanden meine Ansichten interessant, aber niemand konnte sich das als reale Option vorstellen. Ich hatte in dieser Zeit trotzdem Liebesbeziehungen, notgedrungen monogam, aber wirklich glücklich war ich dabei nicht, wenn z.B. eine Frau zu mir gesagt hat: „Wenn du mich betrügst, dann ist Schluss.“ Das zerstört jedes Vertrauen – wie soll ich da noch ehrlich sein?
Katja: Was hat dich bewegt, polyamor zu leben?
Christopher:
Dann habe ich eine Frau getroffen, die mit mir das Experiment wagen wollte, mit dem Zusatz, dass wir ehrlich zueinander sein sollten. 12 Jahre haben wir daran geforscht, haben zusammen gewohnt, ihre beiden Kinder zusammen begleitet, haben viele lange (Zwie-)Gespräche geführt, sind durch tiefe Täler und über hohe Berge gewandert und sind bei uns selbst gelandet. Das ist das Entscheidende: am Ende kommst du immer wieder zu dir selbst!
Katja: Manchmal bietest du Workshops und auch „Liebe tanzen“ ganz in meiner Nähe, in Saarbrücken, an. Was für ein Event ist das?
Christopher:
Liebe tanzen ist ein Tanzabend, bei dem es möglich ist, in Kontakt mit anderen zu gehen. Klar, das ist sonst auch möglich, aber wie oft denken wir: „Wie reagiert sie, wenn ich ihr jetzt in die Augen schaue?“, „Bestimmt denkt er, ich will mit ihm ins Bett, wenn ich mit ihm tanze.“ Wir haben Angst vor Ablehnung, wenn wir auf jemanden zugehen, also tun wir es oft gar nicht. Das verhindert, dass wir einfach miteinander Spaß haben, zusammen tanzen, raufen, kuscheln. An diesem Abend gibt es die Ampelregelung, d.h. wir können anderen schnell und leicht Rückmeldung darüber geben, ob uns eine Berührung gefällt oder nicht. Dabei merken wir dass ein „Rot“ für „Hör auf mit dem was du tust!“ gar nichts Schlimmes ist, sondern viel mehr ein Geschenk der Ehrlichkeit, das mir das Vertrauen gibt, dass andere Dinge, die ich tue, passend sind und dem Gegenüber gefallen. Das üben wir vorher in einem kleinen Workshop auf spielerische Art und Weise und wir verabreden, dass wir an diesem Abend ehrlich zueinander sind.
Kontakt
Christopher Gottwald, Berlin
Vorträge, Workshops, Gesprächsrunden, Beratung zu Polyamorie
Sexological Bodywork
email: renate@christopher-gottwald.de
facebook: christopher gottwald – polyamorie
home: www.christopher-gottwald.de
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